Weimar den 5. December [Montag] 1803.
Ich will alles thun, mein theurer Freund, um Ihre Wünsche zu befriedigen. Wenn ich gesund bleibe, auch nur leidlich, so werde ich gewiß in den ersten Wochen des März fertig. Einige Scenen, womit ich gegen die Geschichte, und das, was die Schweizer von mir erwarten, face machen muß, brauche ich für das Theater auch nur zu skizieren, und kann mir die Ausführung für den Druck vorbehalten. Ohnehin bin ich entschlossen, eh ich das Stück drucken lasse, nach der Schweiz zu gehen. Diese kleinen Besonderheiten, worauf viel ankommt, wenn gewisse Nationalrücksichten zu beobachten sind, haben mit dem Theater nichts zu thun.
Gern wollte ich Ihnen das Stück Aktenweise zuschicken, aber es entsteht nicht Aktenweise, sondern die Sache erfordert, daß ich gewisse Handlungen, die zusammen gehören, durch alle fünf Akte durchführe, und dann erst zu andern übergehe. So z. B. steht der Tell selbst ziemlich für sich in dem Stück, seine Sache ist eine Privatsache, und bleibt es, bis sie am Schluß mit der öffentlichen Sache zusammengreift. – Doch verspreche ich Ihnen ganz gewiß im Laufe des Januars die drei ersten Akte zu übersenden, und den vierten auch vor dem lezten abzuliefern, so dass Sie nach Empfang des lezten Akts, ohne Uebereilung der Sache, in drey Wochen spielen können.
Wegen des Tells habe ich den Warbek zurückgelegt, das Frühjahr und der Sommer werden diesen zur Reife bringen.
Götz von Berlichingen ist wegen Goethes übrigen Geschäften wieder zurückgelegt worden. Wir sind hier auch an Novitäten sehr arm, und manches Niederträchtige kommt an die Reihe, um nur was neues zu bringen, wie z. B. der zweite Theil des Donauweibchens. Julius Cäsar ist ganz wie er ist hier gespielt worden, doch ohne großen Succeß. Unser Theater ist zu eng für diese Darstellung.
Ich lege eine Anzeige der zu dem Tell erforderlichen Theaterveränderungen bei, doch könnte noch eine oder die andre hinzukommen, welches ich noch nicht ganz genau bestimmen kann.
Leben Sie recht wohl, und lassen mich Ihrer Freundschaft empfohlen bleiben.
Schiller.
Ihren Brief der vom 26. datirt ist, habe ich erst unter heutigem Datum erhalten.
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Actus I. 1) Hohes Felsenufer des Vierwaldstättersees, der See macht eine Bucht ins Land, über den See hinweg sieht man die grünen Matten, Dörfer und Höfe von Schwytz deutlich im Sonnenschein liegen. Dahinter (zur Linken des Zuschauers) der Hakenberg mit seinen zwei Spitzen von einer Wolkenkappe umgeben. Noch weiter hinten und zur rechten (des Zuschauers) schimmern blaugrün die Glarischen Eisgebirge. An den Felsen, welche die Coulissen bilden, sind steile Wege, mit Geländern, auch Leitern, an denen man die Jäger und Hirten im Verlauf der Handlung herabsteigen sieht. Der Mahler hat also das Kühne, Grosse, Gefährliche der Schweitzergebirge darzustellen. Ein Theil des Sees muß beweglich seyn, weil er im Sturme gezeigt wird.
2) Stauffachers neu gebautes Haus (von außen) mit vielen Fenstern, Wappenbildern und Sprüchen bemahlt. Es ist zu Steinen an der Landstraße und an der Brücke. Es kann ganz auf die Gardine gemahlt werden.
3) Der gothische Saal in einem Edelhof mit Wappenschildern und Helmen dekorirt, es ist die Wohnung des Freiherrn von Attinghausen.
4) Oeffentlicher Platz bei Altdorf. Man sieht im tiefen Hintergrund die neue Veste Zwing-Uri bauen, sie ist schon so weit gediehen, daß sich die Form des Ganzen darstellt. Die hinteren Thürme und Courtinen sind ganz fertig, nur an der vordern Seite wird noch gebaut. Das hölzerne Gerüste steht noch, an dem die Werkleute auf- und absteigen. Die ganze hintere Scene zeigt das lebhafte Gemählde eines großen Bauwesens mit allem Apparat. Die Werkleute auf dem Gerüste müssen der Perspective wegen, durch Kinder dargestellt werden. NB. An dieser Scene liegt darum vieles, weil eben diese Bastille, die hier gebaut wird, im fünften Akte gebrochen werden soll.
5) Walther Fürsts Wohnung stellt das Zimmer eines wohlhabenden Schweitzerhauses vor.
Actus II. 1) Oeffentlicher Platz zu Altdorf nach Belieben des Mahlers.
2) Ein Zimmer.
3) Das Rütli, eine Matte von hohen Felsen und Wald umgeben (die Coulissen können ganz dieselben von Nr. 1 des ersten Akts seyn). Im Hintergrunde der See, über welchem ein Mondregenbogen, den Prospect schließen hohe Berge, hinter welchen noch größere Eisgebirge. Es ist völlig Nacht, nur der See und die weißen Firnen leuchten im Mondlicht. NB. Diese Scene, welche ein Mondscheinsgemählde vorstellt, schließt sich mit dem Schauspiel der aufgehenden Sonne; die höchsten Bergspitzen müssen also transparent seyn, so, daß sie anfänglich von vornen weiß, und zuletzt, wenn die Morgensonne kommt, von hinten roth können beleuchtet werden. Weil die Morgenröthe in der Schweiz wirklich ein prächtiges Schauspiel ist, so kann sich die Erfindung und Kunst des Decorateurs hier auf eine erfreuliche Art zeigen.
Actus III. 1) Hausflur in Tells Hause nach dem Costüme der Zeit.
2) Platz bei Altdorf mit Bäumen besezt. Man sieht im Hintergrunde den Flecken, davor der Hut auf einer Stange. Der Raum muß sehr groß seyn, weil Tell hier den Apfel schießt.
Actus IV. 1) Der gothische Rittersaal.
2) Seeufer, Fels und Wald, der See im Sturme.
3) Wildes Gebirg. Eisfelder, Gletscher und Gletscherströme, alles furchtbare einer öden winterlichen Gegend.
4) Die hohle Gasse bei Küßnacht. Der Weg wendet sich zwischen Felsen von hinten nach vornen herab, so daß die Personen, welche ihn bereisen, schon von weitem oben gesehen werden, wiederum verschwinden und wieder zum Vorschein kommen. In einer der vordern Kulissen ist auf der Höhe ein Gebüsch und ein Vorsprung, von welchem Tell herabschießt.
5) Die Veste Roßberg bei Nacht auf einer Strickleiter erstiegen.
Actus V. 1) Die Decoration Nr. 4 des ersten Akts das Gerüste wird eingestürzt, alles Volk legt Hand an, Zwing-Uri zu zerbrechen, man hört Balken und Steine fallen. Das Gerüste kann auch angezündet werden – Signalfeuer auf acht oder zehn Beren.
2) Tells Hausflur. Heerd und Feuer auf demselben.
3) noch unbestimmt.