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Schiller an Ferdinand Huber, 13. Januar 1790

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Jena den 13. Jänner [Mittwoch] 90.

Die Angelegenheit, worüber ich dir neulich schreiben wollte, und wovon Du das Wesentlichste schon erriethst, hat sich für den Augenblick zerschlagen. Meine neuen Verhältnisse lassen mich in den nächsten 3, 4 Jahren nicht auf ein anderweitiges Etablissement denken. Der Herzog von Weimar hat alles für mich gethan, was er kann, und wirklich mehr als ich erwartete, oder mit Billigkeit von ihm verlangen konnte. Dabey hat er aber gegen einen Dritten geäusert, daß er zweifle ob ichs ihm danken würde, und bey der nächsten Gelegenheit erwarte von mir zu hören, daß ich Jena verlasse. Ich will andern das Spiel nicht verderben, die sich in ähnlichen Fällen einmal an ihn wenden sollten, und will solange wenigstens hier aushalten, biß eine solche Aussicht sich für mich öfnet, die er selbst mir verdenken würde, auszuschlagen. Dazu kommt, daß meine Schwiegermutter u: Schwägerin (ich setze voraus, daß Du von meiner Verbindung weißt) sich auf mein gegebenes Wort verlassen, für jetzt wenigstens nicht aus der hiesigen Gegend zu ziehen. Es wird sich also wahrscheinlich so schicken, daß ich eine gewisse Veränderung in Deiner Nachbarschaft, die viel Einfluß auf mein künftiges Schicksal haben könnte, ganz bequem hier in Jena auswarten kann. Durch die Pension die der Herzog mir gibt u: durch das, was mir meine Schwiegermutter jährlich zuschießt verbeßere ich mich so, daß ich mit Anstand hier in Jena werde leben können. Wenn die Collegien so schlecht fortgehen, als sie angefangen haben, so kann ich vom kommenden Winter an doch immer zwischen 2 und 300 Reichsth. jährlich rechnen, und die Arbeit ist gethan, so daß ich den schönsten Theil meiner Zeit für schriftstellerische Arbeiten übrig behalte. Die äußern bürgerlichen Verhältnisse bei der hiesigen Academie sind so vortheilhaft und so einzig günstig in ihrer Art, daß sie mir beynahe die Leerheit des Umgangs ersetzen. Die uneingeschränkte Freiheit des Denkens, Redens und Handelns die wir hier genießen, und die Unabhängigkeit von der Meynung anderer, die man hier wenigstens haben kann, lassen mich die Entbehrungen von einer andern Seite weniger fühlen. Die Nähe von Weimar bringe ich mit in Anschlag, die angenehme Gegend und die Befreyung von Aufwand.

Ich danke Dir für die schöne Ausstattung des neunten Hefts der Thalia, wovon heute der letzte Bogen gesetzt wird. Besonders das Lustspiel hat mich durch den ungezwungenen und lebhaften Conversationston überrascht, der Dir ungemein gut gelungen ist. Ich erkenne in diesem Stück verschiedene Deiner alten Ideen, die schon ehmals unter uns berührt worden sind, und ich finde sie in verschönerter Gestalt. In den beyden andern sind vortrefliche Stellen und glückliche Situationen und eine ziemlich kernhafte Mahlerey; doch habe ich gegen manches andre darinn allerley auf dem Herzen, und bey gewissen Stellen, muß ich Dir gestehen, ist während der Correctur der Freund mit dem gewissenhaften Journalisten in Streit gerathen, doch hat der letztere gesiegt und ich habe alles buchstäblich stehen lassen – was Du in einer neuen Ausgabe vermuthlich selbst streichen wirst. Mit Forstern hätte ich beynahe Lust eine Lanze zu brechen, und die unterdrückte Parthey der neuen Kunst gegen ihn zu nehmen. Er hat, däucht mir, alle seine Begeisterung und die ganze Zaubergewalt seiner Phantasie seiner Schönen zugetragen, daß er einem Andern für seine andre alles übrig ließ. Ich muß im Ernste gestehen, daß ich nicht ganz seiner Meinung bin, und ich finde ihn an manchen Orten durch Herderische Ideen zu sehr hingerissen. Aber auch seine unhaltbarsten Meinungen sind mit einer Eleganz und einer Lebendigkeit vorgetragen, die mir einen außerordentlichen Genuß beym Lesen gegeben hat. Danke ihm in Meinem Nahmen und in meiner Seele dafür.

Humboldt der mir Deinen Brief vor ohngefehr 4 Wochen brachte, war mir vorläufig schon sehr genau aus Beschreibungen bekannt, die mir meine Schwägerinn von ihm gemacht hatte. Er ist beides, ein äuserst fähiger Kopf und ein überaus zarter edler Karakter; vorzüglich lernte ich ihn bey einer Herzensangelegenheit kennen, in die er mit einem Frl. von Dachröden aus Erfurt verwickelt ist. Er ist mit ihr versprochen, und er hat Ursache, sich zu einer solchen Frau Glück zu wünschen. Sie ist ein unvergleichliches Geschöpf; nur fürchte ich für ihre Gesundheit, denn diesen Herbst wurde sie schon von den Ärzten aufgegeben, jetzt hat sie sich aber wieder erholt. Humbold hat hier bey mir logirt und wir sind in der benachbarten Welt miteinander herumgestreift. Auch lagen unsre Herzensangelegenheiten auf dem nehmlichen Wege, daß wir einander nicht einmal hätten ausweichen können. Forstern sage nichts von dieser Heurathsgeschichte. Er correspondirt mit Humbold und ich weiß nicht, ob dieser ihn darum wissen lassen will.

Du hast alles Recht, auch auf die meinige neugierig zu seyn, aber ich werde Dich in einem Briefe schwerlich befriedigen können. Noch eher würde ich es unternehmen, wenn ich nicht Ursache hätte zu glauben, daß Dir schon vorläufig Ideen davon gegeben worden sind, welche wahrscheinlich etwas von der Gegend participirten aus der sie kamen. Da Du meine Nachrichten, auch mit dem besten Willen, nicht rein mehr aufnehmen kannst, so will ich sie einstweilen lieber ganz für mich behalten.

Es ist mir unaussprechlich wohl in der nahen Aussicht der Zukunft, aber die Geschichte meines Herzens, die Dich sehr interessiren würde, sey unserm Wiedersehen aufbewahrt. Dem Papier darf sie ohnehin nicht wohl anvertraut werden, wie Dirs beym Wiedersehen klar werden wird. Ich zweifle gar nicht, mein lieber, daß zwischen Dir und mir noch alles so ganz und unverändert ligt, wie es ehmals gewesen, und werde also für Dich nichts für zu heilig halten.

Acht oder zehen Tage nachdem Du diesen Brief erhältst, bin ich getraut, und du mußt also mit Deiner Antwort eilen, wenn sie mich noch frey finden soll. Meine Einrichtung ist anständig und für den ersten Anfang ganz gut; auf die Dauer darf ich mich hier in Jena ohnehin nicht einrichten. Verhältnisse mit dem Adel werden mich nie drücken, weil die Familie selbst auf wenige Bekanntschaften eingeschränkt und die Verwandtschaft klein ist. Im Gegentheil ziehe ich einige weimarische Bekanntschaften dadurch näher in meinen Kreis, die mir schon vorher viel Vergnügen gemacht haben. Von Meinungen habe ich den Hofrathscaracter bekommen, und dieß macht doch wenigstens, daß die Veränderung von außen weniger gefühlt wird.

Ich hoffe Du wirst mich in Dein Gebet einschließen, wenn Du glaubst, daß der entscheidende Tag seyn wird. Lebe wohl und theile meine Freude, wie Du manche meiner trüben Stunden theiltest.

Dein S.