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Schiller an Wilhelm Reinwald, 9. Juli 1788

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Volksstätt bey Rudolstadt 9. Jul. [Mittwoch] 88.

Habe Dank lieber Bruder für die Pünktlichkeit mit der Du mir Wort gehalten hast. Deine Accurateße sezt mich in den Stand den ersten Theil meiner Verschwörungen zeitiger erscheinen zu laßen, als es mir anfangs geschienen hat. Ich denke zu Ende Augusts sollst Du Geld und Exemplare empfangen.

Mit Deiner Verschwörung bin ich recht gut zufrieden. Sie ist einfach, gedrängt; ein bischen weniger Gewißenhaftigkeit und historische Treue hätte sie vielleicht anziehender gemacht, und um deßwillen hätte ich sie Dir vergeben. So aber hat sie das Verdienst strenger Wahrheit, und dem muß dann der Flitterruhm des andern weichen.

Ich bringe jezt einige Monate vom Sommer in einer schönen Gegend bey Rudolstadt zu, wo mich eine überaus liebliche Natur, und der Umgang mit der vortreflichen Familie von Lengefeld u. Beulwitz für die Gesellschaften schadlos hält, die ich in Weimar verlaßen habe. Ich arbeite wie ein Lastthier, aber ich bin gesund und meistens auch vergnügt.

Göthe ist in Weimar, wie Du schon wißen wirst; Herder wird uns nächstens verlaßen, um mit dem Domherrn v. Dalberg durch Frankreich nach Italien zu reisen. Frau v. Kalb wird jetzo in Meinungen angekommen seyn.

Der Geisterseher ist mit dem 5ten Heft der Thalia noch nicht geendigt. Im Gegentheil soll er jezt eigentlich erst anfangen. Die Thalia setze ich fort, und Dein Hypochondrist wird gleich im nächsten Hefte paradieren.

Arbeite bald wieder eine Rebellion oder Verschwörung für mich aus, z. B. die von Stenon in Schweden oder die Pulververschwörung in England.

Küße meine l. Schwester in meinem Nahmen und lebe recht wohl.

Dein treuer Bruder

Schiller.