HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 6. März 1788

Schiller an Gottfried Körner, 6. März 1788

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Weimar, 6. März [Donnerstag] 1788.

Gleich anfangs muß ich Dich aus einer irrigen Vermuthung reißen, die mir Dein vorletzter Brief zu erkennen gegeben hat. Du thust, als ob Du wüßtest, ich habe hier eine ernsthafte Geschichte, zu der ich Euch nach und nach vorbereiten wolle, und Du sagst, Du hättest es aus einer guten Quelle. Glaube mir, Deine Quelle ist schlecht, und ich bin von etwas wirklichem dieser Art so weit entfernt, als nur jemals in Dresden. Wenn ein Mensch so etwas von mir wüßte, so würdest Du es seyn, und die Leute, unter denen ich bin, sollten in diesem Stücke vor Dir, wenn wir auch noch so entfernt von einander wären, kein Vorrecht haben. Bei dem, was ich Dir geschrieben, hat mich nichts als eigene und kalte Ueberlegung geleitet, ohne positiven Gegenstand. Neuerdings ließ ich zwar ein Wort gegen Dich fallen, das Dich auf irgend eine Vermuthung führen könnte – aber dieses schläft tief in meiner Seele, und Charlotte selbst, die mich fein durchsieht und bewacht, hat noch gar nichts davon geahnet. Wenn dieses mich weiter führt, so sei gewiß, daß Du, wie in allen ernsthaften Angelegenheiten meines Lebens, der erste seyn wirst, gegen den ich mich öffne.

Es freut mich, was Du mir über den Aufsatz im Mercur geschrieben hast, und Dein Tadel scheint mir nur zu gegründet; aber Du mußt und wirst mir auf der andern Seite auch wieder einräumen, daß es keine solche leichte Sache für mich war, mich in der Historie so schnell von der poetischen Diction zu entwöhnen. Und darin hast Du es getroffen, daß die Geschichte selbst weniger von diesem Fehler hat; mit dem meisten wirst Du zufrieden seyn. Gleich die Fortsetzung im zweiten Heft des Mercur ist beinahe ganz rein davon.

Laß mir nur Zeit, und es wird werden. Wenn ich meinen Stoff mehr in der Gewalt, meine Ideen überhaupt einen weiteren Kreis haben, so werde ich auch der Einkleidung und dem Schmuck weniger nachfragen. Simplicität ist das Resultat der Reife, und ich fühle, daß ich ihr schon sehr viel näher gerückt bin, als in vorigen Jahren.

Aber Du glaubst kaum, wie zufrieden ich mit meinem neuen Fache bin. Ahnung großer unbebauter Felder hat für mich soviel reizendes. Mit jedem Schritte gewinne ich an Ideen, und meine Seele wird weiter mit ihrer Welt. Ich habe mir den Montesquieu, Pütters Staatsverfassung des deutschen Reichs und Schmidts Geschichte der Teutschen gekauft. Diese Bücher brauche ich zu oft, um sie von der Discretion anderer zu besitzen.

Göschen hat mir ein Heft der Thalia abgeborgt, und ich hab es ihm zugesagt, weil er mir versicherte, daß Crusius kein Papier habe, die Revolution der Niederlande noch vor der Messe anzufangen; jetzt aber schreibt mir Crusius, daß er scharf darauf losdruckt, die Thalia ist auch angefangen, Wieland will einen Aufsatz in das dritte Mercurstück, und ich sitze in Todesschweiß. Dem verfluchten Geisterseher kann ich bis diese Stunde kein Interesse abgewinnen; welcher Dämon hat mir ihn eingegeben! Bitte Huber, daß er mir den Brief schicke, den Du beantworten wolltest. Ich setz’ ihn in die Thalia.

Ich schriebe Dir gern mehr, aber ich bin diesen Mittag bei einem Diner, wo ich Herder finden werde; und es ist schon spät. Herders vierter Theil der Ideen soll scharf über das Christenthum hergehen; man sagt hier, daß ers zu bunt gemacht habe. Lebe wohl und grüße mir alle herzlich.

Dein S.